Bayrische Schmankerl in höchster Vollendung

Tourbericht von Ottfried Zierenberg vom 3. Oktober 2012

Punkt 8:00 Uhr beim "Bierteufel" in Baldham, und trotz der frühen Stunde und nur 6 Grad sind zehn Radler aus dem Einzugsgebiet vom ADFC Ebersberg, aber auch Münchner Radlfreunde dem Ruf von Norbert Berger gefolgt. Normalerweise sind wir schon deutlich mehr, aber heute sind die Feiern zum 22. Jahrestag der Wiedervereinigung in München und natürlich die Wiesn schon gestandene Konkurrenten. In rasanter Fahrt geht's nach Grub, wo wir rechtzeitig die fast leere S-Bahn nach Altenerding nehmen. Gemütliches Einradeln Richtung Osten durch oberbayrische Bilderbuchlandschaft, nahezu flach, aber plötzlich dann doch ein paar kräftige Anstiege. Der erste Höhepunkt ist Hörgersdorf, oder genauer die Pfarrkirche St. Bartholomäus, auch die "kleine Wies" genannt. Wie der liebevolle Vergleich schon vermuten lässt, ist die Kirche ein Augenschmaus. Norbert hat die Mesnerin aktivieren können, uns verschwitzten Radlern das Schmuckstück zu zeigen. Bereits im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt (aus dieser Zeit stammt noch die gotische Muttergottes), hat wie so viele andere auch diese Kirche im 30jährigen Krieg schweren Schaden genommen. Im 18. Jahrhundert haben die Nachfahren der wenigen Krieg und Pest Überlebenden die Kirche im Barockstil unter der Leitung des Erdinger Stadtmaurermeisters Anton Kogler neu erbaut, später wurde die Innenausstattung im üppigen Rokokostil ergänzt, und seit 2009 erstrahlt die Kirche nach aufwändiger Renovierung im goldenen Glanz. Der Clou: genau vor 290 Jahren am 3.Oktober 1722 wurde die Kirche vom damaligen Fürstbischof geweiht. Wenn das keine einmalige kunsthistorische Meisterleistung von Norbert war, gerade an dem Kirchengeburtstag hierher zu fahren... Na ja, der heilige Bartholomäus hat sich bei uns auch mit großartigem Wetter, weiß-blauem Himmel und Sonne pur revanchiert, spätestens um 11 Uhr fielen die letzten schützenden Hüllen.

Die Fahrt geht über eine fürstlich zum Rad- und Fußweg ausgebaute ehemalige Bahntrasse nach Dorfen und danach auf nahezu unbefahrenen Straßen bzw. Feldwegen weiter Richtung Osten zu unserem Mittagsziel, den Landgasthof Hinterberg. Kurz vorher schickt uns Norbert zum Radler-Fitnesstest eine ziemlich steile Wiese hinauf, natürlich auch mit einem praktischen Ziel, uns eine kleine, erst im Jahr 1994 an aussichtsreicher Stelle erbaute Kapelle näher zu bringen. Nach wenigen Metern erreichen wir nun den gut besuchten Landgasthof, wo zu guter Letzt noch ein Radlfreund aus Poing zu uns stößt, der uns am Morgen verpasst hatte. Wie es dazu kam und wie er doch noch zu uns fand, ist eine eigene Geschichte... Nach ausgedehnter Mittagspause, einschließlich Sonnenbad im Biergarten und unterhaltsamer Runde fahren wir Richtung Haag. 

Norbert zweigt plötzlich ein paar Meter in einen Feldweg ein und zeigt uns ein uraltes Feldkreuz, errichtet 1749, zum Gedenken an "2 Dirnen" (Mägde), die hier vom Wolf(!) angefallen wurden. Der Inschrift zufolge wurde eine von ihnen sogar aufgefressen. Uns läuft es schaurig den Rücken herunter. Gottlob sind diese Zeiten vorbei. Nicht auszumalen, welche Auswirkungen Radltouren in "Bayrisch-Sibirien" auf uns gehabt hätten: Fahradfahren nur unter Geleitschutz! Nur kurze Zeit später, kurz vor Haag, ein erneuter Halt vor einer ehemaligen Raketenabwehrbatterie. Welch' ein guter Einfall, uns  am Tag der Deutschen Einheit hier vorbei zu führen! Kein anderes Symbol kann wohl die positiven Auswirkungen auf unsere eigene geopolitische Lage seit der Wende so gut demonstrieren. Der Blick schwenkt auf das großartige Alpenpanorama, das vor uns liegt. Man sieht weit ins Salzburger Land und in das Inntal; Watzmann & Co. liegen zum Greifen nahe und der Flachlandtiroler lernt, dass man sich das Bild des Wendelsteins mit einer schlafenden Jungfrau (Kopf, Busen, Bauch) merken kann. Welch' bezaubernde Eselsbrücke!  Bei diesen überwältigenden Eindrücken und den Bezugspunkten zur Gegenwart könnte man fast ausrufen: Gott mit Dir, Du Land der (glücklichen) Bayern!

Kein Ausflug in den Ostteil unseres Landkreises ohne einen Kaffeestopp im Brauereigasthof Forsting, das ist den "Süßen" unter uns Radlern geschuldet! Hier schlemmen wir noch einmal am Kuchenbuffet, und es fließen einige "Weiße", nicht das für einen Brauereigasthof entsprechende Getränk, sondern Café latte, Cappuccino usw.  Wenige Kilometer danach wird noch einmal kurz an einer kleinen Kapelle gehalten und das Alpenpanorama aufgesogen (ja, auch die schlafende Jungfrau ist noch da!). Pünktlich erreichen wir den Zug in Ebersberg nach Baldham, wo wir um 19 Uhr wieder eintreffen.

Das Fazit für die Datenfreaks: Gesamtlänge: 80 km, 590 Höhenmeter; 3 % durchschnittliche Steigung laut Tachometer; 18 % max. Steigung (wo war das denn?); 3.500 Kcal verbraucht (das kompensiert auch den Braten mittags, den Käsekuchen nachmittags und einige Weiße); durchschnittl. Geschwindigkeit 17 km/h, max. Geschwindigkeit 55 km/h (tolle Abfahrt!); 4,5 Std. aktive Fahrzeit, 6,5 Std. gestanden, gestaunt, zugehört, erzählt, kurzum der Super-Mix für eine Feiertagstour! Norbert sei Dank!

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